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Scharia - Bedeutungen, Gefahren, Chancen

Steffen Hoffmann December 8, 2014

Muslime dürfen nicht „in Sippenhaft genommen werden“

Punktsieben zum Thema „Scharia“ – Teils sehr kontroverse Diskussion im vollen Saal des evangelischen Gemeindehauses Walldorf

Einfache Antworten sucht man bei Punktsieben, dem Diskussionsforum der evangelischen Kirchengemeinde Walldorf, vergeblich. Vielmehr widmet es sich bevorzugt aktuellen, schwierigen Themen, die eine differenzierte Herangehensweise verlangen. Als Prof. Mathias Rohe zu Fragen rund um Islam und Scharia Stellung nahm, machte schon der Vortragstitel klar, dass es um Gefahren und auch um Chancen gehen wird. Rohes Kritik war ausgewogen, erhellte negative Aspekte, ohne sie zu entschuldigen, und nannte gleichermaßen das Positive.

Prof. Rohe studierte Rechts- und Islamwissenschaften in Tübingen und Damaskus, er ist Direktor des Erlanger Zentrums für Islam und Recht in Europa. Persönliche Erfahrungen aus seiner Zeit als Richter am Oberlandesgericht, Begegnungen in orientalischen Ländern und Forschungsergebnisse, an denen er teils selbst mitgewirkt hat, bereicherten seinen Vortrag. Viele Menschen fühlten sich „zermürbt von all den schlechten Nachrichten seit dem 11. September“, räumte Rohe ein. Aber es gebe nicht „den Islam“, den man pauschal dafür verantwortlich machen könne. So übte er vehement Kritik an den Gräueln der Extremisten, etwa des „Islamischen Staats“ (IS), betonte aber, man dürfe „die Leute hier nicht in Sippenhaft nehmen“.

Zunächst gab Mathias Rohe Einblick in die Scharia als äußerst vielgestaltiges, dynamisches System religiöser, ethischer und rechtlicher Normen. „Kulturelle und religiöse Phänomene sind eng verwoben“, so Rohe. Daher, machte er deutlich, könne Kritik an Sitten islamisch geprägter Nationen oder Kulturen nicht immer am Koran festgemacht werden. Das Problem sei, dass der Islam „zunehmend politisiert“ werde – „eine neuzeitliche Erscheinung“, erst seit dem 19. Jahrhundert feststellbar. Konkret verurteilte Mathias Rohe die Einmischungen Saudi-Arabiens in die Demokratisierungsbemühungen in Ägypten, wo Ideen wie Demokratie oder Gewaltenteilung seiner Ansicht nach auf fruchtbaren Boden fallen. Das stelle aber für die Saud-Diktatur „die größte Gefahr“ dar.

„Die Kernfrage lautet: ’Wie haltet ihr’s mit der Rechtsstaatlichkeit?“: Normen zu beten oder pilgern, Verbot von Glücksspiel oder Alkohol, „fallen unter Religionsfreiheit“, da sehe er keine Probleme, „bei anderen Dingen sehr wohl“. Frauenrechte, Religionswechsel und „Djihad“ griff Rohe hier auf – und zeigte daran überraschend auch die Wandelbarkeit der Scharia-Normen auf. So gebe es einen „islamischen Feminismus“ und das Töten von Zivilisten stehe „im Widerspruch zu den strengsten Auslegungen des Djihad“. Der Experte zeigte sich „verhalten optimistisch“, dass in den meisten Ausprägungen des Islam das Potenzial da sei, sich zu entwickeln und „ins 21. Jahrhundert zu finden“.

Umfragen zeigten, dass eine Mehrheit die Rechte der Muslime, etwa zum Moscheenbau, einschränken wolle, und Parteien wie die AfD träten dafür ein: Da rät Mathias Rohe, „mal einen Blick in die Verfassung zu riskieren“: „Gerade hier muss sich unser Rechtsstaat bewähren“ – er sei „durchaus wehrhaft“ im Fall von Extremismus. Für Muslime gelte zugunsten eines friedlichen Zusammenlebens wiederum, sich aktiv den hiesigen Werten zu öffnen.

Pfarrer Bernd Höppner, der die zahlreichen Besucher im Saal des Gemeindehauses begrüßt hatte, dankte Rohe, überreichte ein Präsent und leitete zunächst zu den vertiefenden Fragen über, die Alf Osman und Dr. Johannes Franzkowski von Punktsieben stellten, anschließend zur teils kontroversen Diskussion. Rohe nahm hier Stellung zu Fragen über Kopftuchstreit oder Burka-Verbot, stellte klar, dass Frauen Schutz vor Unterdrückung genießen müssten, aber Respekt vor eigenen Entscheidungen verdienten. Er betonte zur Burka: „Ich finde das grässlich, mir gefällt weder das Frauen- noch das Männerbild dahinter: Sind wir Männer oder Böcke?“

Beinah hitzig wurde über „Parallele Gerichtsbarkeit“ diskutiert. „Ich sehe das sehr kritisch“, meinte Mathias Rohe, widersprach aber einer pauschalen Ablehnung. Als Beispiel nannte er den Fall einer Zweitfrau, die nach allem, was sie wusste, verheiratet war, eben in Polygamie. Das lasse das deutsche Recht freilich nicht zu, zeige sich aber bis zu einem gewissen Grad „respektvoll und menschennah“ und räume der Frau ein Anrecht auf Teile von Erbe oder Rentenansprüchen des Mannes ein. Keine Rücksicht wiederum dürfe man auf „Clan-Strukturen“ nehmen, wenn sie organisierter Kriminalität gleichkämen. Rohe verurteilte auch die sogenannten „Ehrenmorde“ – die es aber nicht nur in islamischen, sondern auch in anderen „extrem patriarchalischen“ Kulturen gebe. Dagegen müsse man entschieden vorgehen, gemeinsam mit möglichst vielen Muslimen. Rohe hob hervor, was für alle gelte: „Wir müssen die Grundlagen der Menschenrechte jeder Generation von Neuem klarmachen, das ist eine immerwährende Überzeugungsarbeit in allen Bevölkerungskreisen.“

(Text von Sebastian Lerche, der RNZ entnommen)


Aufbruch in Afrika

Steffen Hoffmann October 28, 2014

„Afrika hat eine große Zukunft“

Dr. Boniface Mabanza referierte bei „Punktsieben“ über den zwiespältigen Aufbruch des Kontinents

Walldorf. (behe) Die 150 Besucher des Diskussionsforums „Punktsieben“ erlebten im Foyer des evangelischen Gemeindehauses ein Referat der Sonderklasse mit dem Titel „Aufbruch in Afrika – Afrikas Rolle in einer globalisierten Welt.“ Dr. Boniface Mabanza von der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika in Heidelberg und Gastprofessor an der Goethe-Universität Frankfurt zog die Zuhörer mit profunden Kenntnissen über seinen Heimatkontinent in seinen Bann. Dr. Mabanza vermittelte Wissen, das sonst in den Medien kaum Erwähnung findet. Sein zweistündiges Referat war jederzeit verständlich und hochinteressant.

Afrika durchlaufe derzeit einen rasend schnellen „ambivalenten und in sich zwiespältigen Aufbruch“, so Mabanzas Grundthese. „Es gibt keinen Kontinent, der wirtschaftlich so stark wächst wie Afrika. Es ist im Wirtschaftswachstum Spitzenreiter auf der Welt“, sagte Dr. Mabanza eingangs. Investoren aus Nordamerika und Europa, aber auch China und Indien würden Jahr für Jahr 50 Milliarden Euro in Afrika investieren.

Auslöser dieses wirtschaftlichen Booms sei Afrikas Reichtum an Rohstoffen. Ein Großteil der weltweiten Vorräte an Mangan, Kobalt, weiteren Erzen und Gold lagerten in afrikanischer Erde. Wurden diese Rohstoffe bislang hauptsächlich exportiert, ist ihm zufolge nun auch deren binnenwirtschaftliche Verarbeitung hinzugekommen. In der Folge entstehe eine selbstbewusste gesellschaftliche Mittelschicht, und auch das Bildungssystem Afrikas verbreitere sich rasend. Das Bevölkerungswachstum sei weiterhin sehr hoch, und die Hälfte der Bevölkerung sei jünger als neunzehn Jahre. Bis 2035 werde der Anteil der arbeitenden Menschen in Afrika größer sein als in China oder Indien.

Am Beispiel der Telekommunikation zeigte der Referent die Innovationsfähigkeit der Afrikaner. So habe man beispielsweise die Stufe des Festnetzes komplett übersprungen und erledige das Telefonieren, den Transfer von Geld und das Surfen im Internet mit dem Handy oder Smartphone. Gleichzeitig finde in Afrika eine Urbanisierung im großen Stil statt. Der Kontinent habe inzwischen so viele Millionenstädte wie Europa, deren Infrastruktur sei ebenso modern, und die Landflucht sei ungebrochen. Wenn eine Milliarde Menschen aktiv wirtschaften und konsumieren bleibe der Wohlstand nicht aus, erklärte der Referent.

„Die heutige Entwicklung Afrikas ist aber spannend und gefährlich zugleich“, sagte Dr. Mabanza weiter. Indem die afrikanische Elite das Modell der westlichen Industrieländer übernommen habe, treten auch die negativen Folgen des Kapitalismus zutage: Die Kluft zwischen Arm und Reich werde immer größer, Slums an den Rändern der Städte entstehen, die Umweltzerstörung durch den Rohstoffabbau sei groß: „Auf die Umwelt und die Ökologie wird keine Rücksicht genommen.“ Afrika könne aber nur ein Chancenkontinent bleiben, wenn es sein eigenes Wertesystem entwickele und anwende. Dies bedeute, dass die Afrikaner traditionell schon immer im Einklang mit der Natur leben, und auch „in bitterster Armut das Leben bejahen“, sagte Dr. Mazamba weiter. „Die Eliten meines Kontinents müssen sich vom Denken der Kolonisatoren und deren Überheblichkeit befreien und durch ein emanzipatorisches Modell ersetzen.“


In der Diskussion erteilte Dr. Mabanza islamistischen Bestrebungen wie etwa in Mali und Nigeria eine klare Absage: „Es schmerzt, wenn junge Afrikanerinnen im Namen Gottes ermordet werden.“ Die Panafrikanische Idee toleriere alle Religionen, „und Kriege sind ihr gemäß unmöglich.“ Afrika werde gerne auch mit islamischen Staaten wie Katar kooperieren, aber es werde fundamentalistisches Gedankengut niemals akzeptieren. 

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