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Sexuelle Vielfalt

Steffen Hoffmann March 28, 2015

Das Thema „sexuelle Vielfalt“ treibt zurzeit zahlreiche Leute auf die Straße und auch im Saal des Walldorfer Gemeindehauses wurde Kritik daran laut, Schulkinder mit dem Thema zu konfrontieren. Bei „Punktsieben“, dem Diskussionsforum der evangelischen Kirchengemeinde, sprach Landesbischof Prof. Jochen Cornelius-Bundschuh über diese „Herausforderung für Kirche und Gesellschaft“. Einigen Besuchern gingen seine Aussagen zu weit, andere kritisierten ihn hingegen als zu wenig progressiv, was wiederum auf teils heftige Gegenwehr anderer Zuhörer stieß.

In seiner Begrüßung hatte Rainer Dörlich von Punktsieben auf die „Demonstrationen und Gegendemos“ zu diesem auch fast 50 Jahre nach der sexuellen Revolution immer noch „brennenden Thema“ geblickt. Cornelius-Bundschuh selbst räumte ein, dass es Handlungsbedarf gebe angesichts der „langen Geschichte der Diskriminierung und der Schuld“ der Kirchen.

„Das halte ich für eine der wichtigsten Erkenntnisse der Reformation: dass Glaube nur ohne Gewalt in freiem Austausch wachsen kann.“ Fest dazu gehöre, „die heutige Lebenswelt gründlich kennenzulernen“: „Man muss die Bibel und die Zeitung lesen.“ Unter anderem stützte er sich auf Aussagen Jesu und die Paulusbriefe, den historischen Kontext betonend. „Schon in der Bibel begegnet uns eine Vielfalt an Lebensformen“, so Cornelius-Bundschuh: „Im Blick auf die Sexualität wird jedes gewaltförmige Verhalten abgelehnt.“ Ob homo-, hetero-, trans-, inter- oder asexuell, das sei ebenso wenig entscheidend wie nationale oder ethnische Zugehörigkeit. Was zählt: „die Gemeinschaft mit Christus“.

„Für die evangelische Kirche heißt das: Sie nimmt Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit, auch ihrer unterschiedlichen sexuellen Disposition wahr – und ernst. Sie sucht Wege, Menschen in ihrer Beziehung und Verantwortung füreinander zu stärken.“ Luther spreche von der „gebundenen Freiheit“, zwar seien Christen frei in allen Dingen, aber zugleich „in intensiver Weise füreinander verantwortlich“. So hob der Bischof vier Kriterien hervor, die für „gelungene Sexualität“ gelten müssten: Freiwilligkeit und Konsens, Verbindlichkeit der gegenseitigen Verpflichtung, personale Bindung und Unverfügbarkeit der Sexualität. Als Gefahr für Jugendliche sehe er beispielsweise die „marktförmige Sexualität“, aus Fernsehen oder Internet bereits jungen Kindern hinlänglich bekannte „Ideale der Attraktivität oder der sexuellen Leistungsfähigkeit“: „Wie viel Druck da entsteht!“ Dieser Entwicklung müsse die Kirche sich entgegenstellen.

Christina Eder, Antje Valouch und Christoph Dressler von Punktsieben stellten vertiefende Fragen, Teamkollege Holger Lehmann moderierte die anschließende Diskussion. Bischof Cornelius-Bundschuh erklärte hier, er sehe die evangelische Kirche „auf dem Weg zu einer deutlichen, positiven Position, die Menschen darin bestärkt, ihre Sexualität in einer verantwortungsvollen Beziehung miteinander zu leben“.


Im Vergleich zu anderen Landeskirchen sei man etwa in der Gleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerschaften nicht so weit – noch nicht, zeigte er sich zuversichtlich. Jedoch verstehe er sich generell nicht als Befehlshaber: „Ein Bischof ordnet nichts an, was die Synode nicht mitträgt.“
 

Im in die Kritik geratenen Bildungsplan sehe er „die Chance, zu zeigen, wie Freiheit und Verantwortung zusammenhängen“. Toleranz stehe dort im Fokus, es werde sexuelle, ethnische, kulturelle und religiöse Vielfalt thematisiert. Das sah Cornelius-Bundschuh nicht kritisch, und auch nicht als Abschwächung der ursprünglichen Position in Folge des Sturms der Entrüstung konservativer Kreise. Das Fazit des Bischofs: „Die Kirche diskriminiert nicht, sagt nicht, welche Form der Sexualität gut oder schlecht ist: Sie ist da, hört zu, macht Mut, stärkt.“

(Text von Sebastian Lerche, der RNZ entnommen) 

MASSENWARE BIO - DAS GLEICHE IN GRÜN?

Steffen Hoffmann February 26, 2015

„Wir brauchen eine umfassende Agrarwende“

Spiegel-Reporterin Michaela Schießl sprach bei „Punktsieben“ in Walldorf über die „Massenware Bio“

Eingangs schilderte sie das Idealbild eines Bio-Bauernhofs, mit artgerechter Tierhaltung, sparsamem Düngereinsatz, keinen Antibiotika, Beiträgen zum Umweltschutz und fairen Löhnen. Um dann deutlich zu machen, dass diese Höfe aussterben. Die „Massenware Bio“ macht ihnen den Garaus. Spiegel-Reporterin Michaela Schießl war bei „Punktsieben“, dem Diskussionsforum der evangelischen Kirchengemeinde Walldorf, zu Gast und hob eindringlich nicht nur die Probleme der Bio-Höfe hervor, sondern auch, warum sie eine umfassende Agrarwende für dringend geboten hält. Der Saal des evangelischen Gemeindehauses war voll besetzt, das Interesse der Besucher groß.

Michaela Schießl stammt aus Walldorf, studierte Journalistik, Politologie und Sportwissenschaften, nun ist sie Reporterin im Wirtschaftsressort des „Spiegels“ in Hamburg. Daher stammten viele ihrer persönlichen Eindrücke von Höfen in Schleswig-Holstein. „600 Biobauern geben jedes Jahr auf.“ Ein Grund ist der „Papierkrieg“, die Flut an Normen, die Michaela Schießl als zuweilen praxisfern darstellte – und in ständigem Wandel, je nach Wahlergebnis, „dabei wäre Planungssicherheit nötig“.

„Bio kämpft gegen Bio“: Wegen der Förderung von Biogasanlagen im Zug der Energiewende sah sie sich während ihrer Recherchen vor einer grotesken Situation: dass Monokulturen von Mais und anderen Energiepflanzen äußerst lukrativ werden. Das sei eigentlich „das genaue Gegenteil von Bio, da fahren jetzt die Spritzwägen“. Weil „die Pachtpreise explodieren“, gerieten Biobauern ohne eigenes Land „in akute Gefahr“. Ein weiteres Problem: die massiv gestiegene Nachfrage. „Die Biobranche ist Opfer ihres eigenen Erfolgs.“ Als die großen Supermarkt- und Discounterketten Massen an Bio-Lebensmitteln verlangten und die Preise zu diktieren begannen, war das laut der Referentin unausweichlich „ruinös für die Werte und Ideale“.

Hinzu kam das Bio-Siegel der EU für „das niedrigstschwellige Bio-Angebot“, weit unter den Standards der deutschen Anbauverbände. Solche Waren machen den hochwertigeren Bio-Lebensmitteln Konkurrenz. Ebenso die Billig-Importe aus aller Welt. Die Spiegel-Reporterin übte massive Kritik an den Qualitätskontrollen – auch hier in Deutschland, da erinnerte sie an die Skandale der vergangenen Jahre.

Für die „Massenware Bio“ werden ihr zufolge obendrein Südamerikas und Indonesiens Urwälder gerodet und gewaltige Gebiete in Südspanien „mit Plastik überzogen“, der Boden der ohnehin wasserarmen Gegend werde ausgelaugt. „Das ist die Pervertierung der Bio-Idee.“ Zumal wenn der Anbau durch Flüchtlinge aus Afrika oder Osteuropa unter „katastrophalen Bedingungen“ erfolge.

Zur Ur-Idee einer ökologischen Landwirtschaft gehören für Michaela Schießl viele Aspekte, die sich nicht unbedingt im Produkt wiederfinden, Vorteile für die gesamte Gesellschaft. Das machte sie an den verborgenen Kosten der konventionellen Landwirtschaft deutlich. „Lebensmittel sind nicht billig, sie werden billig gemacht.“ Acht Milliarden Euro jährlich kostet die Reinigung des Trinkwassers von Nitraten aus Düngemitteln. Wegen des unmäßigen Antibiotikaeinsatzes verbreiten sich ihr zufolge „Superkeime“, die resistent gegen viele gebräuchliche Arzneimittel sind. Die Krankenkassenbeiträge der Mitarbeiter in der Landwirtschaft steigen exponentiell. In den Meeren, gerade an Flussmündungen, gibt es „tote Zonen“ wegen der Überdüngung aus Abwasser von Feldern. Die Hochwassergefahr steigt, weil konventionell bewirtschaftete Böden vergleichsweise wenig Niederschlag aufnehmen. Auch mit dem Stichwort „Klimakiller“ in Bezug auf den Futtermittelanbau „sage ich Ihnen nichts Neues“.

In Zukunft müsste die Politik ein Interesse haben, die Bio-Landwirtschaft stärker zu fördern, so Michaela Schießl, „die Folgekosten könnten um ein Drittel sinken“. Auch sollte man die 94 Prozent immer noch konventionelle Landwirtschaft stärker regeln und näher an die Bio-Ideale heranbringen. „Kein Landwirt wehrt sich dagegen, sein Vieh artgerechter zu halten – wenn er vernünftig bezahlt wird.“

Das Hauptproblem hängt mit der „Macht der Verbraucher“ zusammen, die sowohl die Referentin als auch einige Besucher in der späteren Diskussion hervorhoben: Solange der Mehrwert des „Premium-Bio“ gegenüber dem verwässerten Bio nicht offenbar wird, greift niemand zum teureren Produkt. 

Ralf Tolle von Punktsieben moderierte den Abend, seine Teamkollegen Jochen Koppert, Sabine Reich und Matthias Kaiser stellten vertiefende Fragen. Da ging es unter anderem um „Billig-Bio“, Wege für Verbraucher, Druck auf die Hersteller auszuüben, die adäquate Förderung (nicht „mit der Gießkanne“) und einen „Blick in die Zukunft“, wenn eine kulturelle Veränderung sowohl Tierwohl und Umweltschutz als auch menschlicher Gesundheit entgegenkommt. Weniger oder gar kein Fleischkonsum wurden als ein guter Weg angesehen, die geschilderten Probleme zu mildern. In der Diskussion wurden auch Beispiele von erfolgreichen Bio-Betrieben genannt, die teils durch Vereine oder Genossenschaften gestützt werden. Weitere Themen waren verarbeitete Bioprodukte wie „Bio-Pizza“ („vermutlich zu viel Fett und Zucker“) und die Risiken des Freihandelsabkommens mit den USA.


(Text von Sebastian Lerche, der RNZ entnommen)

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