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Noch mal kurz die Welt retten?!

Steffen Hoffmann October 11, 2015

Viel Lob für den Papst, aber auch offene Fragen

 Das evangelische Diskussionsforum punktsieben setzte sich mit „Öko-Enzyklika“ auseinander

Walldorf. Das Walldorfer Diskussionsforum Punktsieben der evangelischen Kirchengemeinde war ausnahmsweise ökumenisch angelegt. Der Grund: Es ging um den Papst und seine Enzyklika Laudato Si'.

Als brandaktuell bezeichnete Pfarrerin Marina von Ameln das Thema. Sie begrüßte als Referenten den Journalisten und Theologen Michael Schrom, der das Ressort Religion und Kirchen bei der Zeitschrift Forum Publik leitet.

Schrom begann mit den sehr unterschiedlichen Reaktionen, die Papst Franziskus hervorgerufen hat und stellte die Enzyklika dann in wesentlichen Aussagen vor. Der argentinische Papst habe einen starken Text verfasst, der die Erde als gemeinsames Haus und Leihgabe Gottes an alle Menschen beschreibt und dabei konsequent die Perspektive "des Südens" einnimmt. Dabei habe Franziskus viel Mut gegenüber einflussreichen Lobbyisten bewiesen.

Der Theologe sieht die Brisanz der Enzyklika in der Verknüpfung von Umweltschutz und Gerechtigkeit sowie in der Unterordnung des Privateigentums unter das Gemeinwohl. Die schlichte Aussage: „Gott hat die Welt für alle erschaffen“, bekommt in diesem Zusammenhang ein ganz neues Gewicht. Den Zugang zu sicherem Trinkwasser nenne der Papst als ein grundlegendes Menschenrecht und wende sich damit gegen Bestrebungen zur Privatisierung.

Aus der bisherigen Sicht der katholischen Kirche habe die Bekämpfung der Armut Priorität - Klimaschutz werde eher als Luxus angesehen. Dagegen habe der Papst vor der UN-Klimaschutzkonferenz im November in Paris den Klimaschutz ganz oben auf die Agenda gestellt.

„Die Verknüpfung mit der Gerechtigkeitsfrage bringt Klimaleugner auf die Barrikaden“, weiß Schrom. Entsprechend heftig seien die Reaktionen zu „Laudato Si’“ ausgefallen, vor allem in den USA, wo viele Konservative bestritten, dass die Erderwärmung durch menschliches Verhalten ausgelöst werde. „Franziskus wurde vorgehalten, er würde sich auf fragliche wissenschaftliche Ergebnisse stützen“, so Schrom. So habe der konservative Präsidentschaftskandidat Rick Santorum den Papst dazu aufgerufen, "die Wissenschaft den Wissenschaftlern zu überlassen".

Doch der Papst habe für seine „Öko-Enzyklika“ auch viel Lob bekommen, unter anderem von US-Präsident Barack Obama, UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, Globalisierungskritikern und den Grünen. „Die haben fünf Zitate auf ihrer Homepage veröffentlicht, die zeigen sollen, dass der Papst ein Grüner ist“, so Schrom. Dabei hätten die Grünen wiederholt die Erfahrung machen müssen, dass demokratische Wahlen mit Forderungen nach Verzicht nicht zu gewinnen sind.

Sein eigenes Urteil: „Die Enzyklika ist ein großer Wurf, der es verdient, weiterentwickelt zu werden. Wir können nicht einfach sagen: weiter so! Wir müssen uns Gedanken machen.“

Doch der Journalist und Theologe sieht auch noch Fragen offen: Ist es sinnvoll eine Rezession zu fordern? Und was sagt der Papst zur Überbevölkerung? „Konfrontatorin“ Silke Willinger von der Seelsorgeeinheit Walldorf-St.Leon-Rot wollte wissen: Was sagt die Deutsche Bischofskonferenz zu Franziskus’ Kapitalismus- und Fortschrittskritik?

Bei den großen Wissenschaftsmagazinen Science und Nature sei die Enzyklika Kommentarthema gewesen, doch kein Bischof habe sie aufgegriffen, berichtete Schrom. Johannes Franzkowski kritisierte, der Papst erwähne die Frage des Bevölkerungswachstums nur, um den Zusammenhang mit der Armut zu leugnen. Damit habe er eine einmalige Chance verpasst, die bisherige Haltung der katholischen Kirche zum Thema Familienplanung zu korrigieren. „Hier drückt er sich“, glaubte Schrom. Er hoffe, dass das in der Familiensynode nachgeholt werde. 

Mathias Pütz sorgte sich, dass der Papst mit seinen provokanten Thesen „übers Ziel hinausschießt“. Demgegenüber verteidigte Schrom die erfrischende und pointierte Sprache. Mit Zuspitzungen wie „diese Wirtschaft tötet“ finde er in der Mediengesellschaft Gehör und rege zu Diskussionen an.

In der weiteren Diskussion ging es um Klimaschutz innerhalb der Kirche, um Wirtschaftswachstum versus Konsumverzicht und um das Dilemma, dass die Industrienationen, die mit ihrem Lebensstil die Ressourcen der Erde zu Lasten der ärmeren Länder ausbeuteten, diesen nicht verwehren könnten, sich in die gleiche Richtung zu entwickeln.

heb

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PUTIN ZWISCHEN DEN FRONTEN

Steffen Hoffmann September 27, 2015

Wie gehen wir mit Russland um?

Der Heidelberger Politikwissenschaftler und „Putinversteher“ Klaus von Beyme sprach bei punktsieben

Walldorf. Obama und Putin, die beim Uno-Gipfel miteinander anstoßen. Auch wenn es etwas verkrampft wirkt, dieses Bild wäre vor einiger Zeit noch undenkbar gewesen. „Die weltpolitische Lage hat uns Russland näher gebracht“, sagte Klaus von Beyme vor rund 150 interessierten Zuhörern im evangelischen Gemeindehaus in Walldorf. Denn Putin sei ein entschiedener Kämpfer gegen den Islamismus. Bei Punktsieben, dem Diskussionsforum der evangelischen Kirchengemeinde Walldorf, ging der ehemalige Leiter des Instituts für Politikwissenschaft in Heidelberg nicht nur auf russische Verhältnisse und Befindlichkeiten ein, sondern auch auf Fehler und Versäumnisse des Westens.

Um Punkt Sieben ging es los: Johannes Franzowski vom punktsieben-Team erinnerte an die deutsch-russische Freundschaft zu Zeiten Gorbatschows, als Russlands Präsident „für uns noch der Gorbi war“. Auch Putin habe bis 2000 als Westler gegolten, bemerkte von Beyme. Er habe aber versäumt, die Wirtschaft und die Zivilgesellschaft zu entwickeln.

Weil er sich nicht ernst genommen fühlte habe Putin einen Drang entwickelt, sich zu profilieren. Die USA trügen eine Mitschuld, denn sie seien Russland nicht auf Augenhöhe begegnet. Von kurz vor Petersburg bis Japan im Süden fühle sich Russland von feindlich gesonnenen Mächten eingekreist.

Man hätte nicht versuchen sollen, die Ukraine in die EU zu ziehen, betonte von Beyme. Nur 42 Prozent der Ukrainer seien für einen Anschluss, ein Drittel für eine Zollunion mit Russland. Und mehr als die Hälfte spreche zuhause russisch. „Ein Eintrittsticket für die EU – da bin ich ganz und gar dagegen“, betonte der Politologe. „Die Medien in Russland werden gleichgeschaltet während sie sich im Westen teils selbst gleichschalten und feste draufhauen“, so von Beyme. Dass die Sanktionen nach dem Minsk-Abkommen nicht aufgehoben wurden habe Putin enttäuscht.

„Was kann der Westen tun, damit Russland nicht zum Pulverfass wird“, fragte „Konfrontator“ Matthias Kaiser vom Punktsieben Team, der die Diskussion eröffnete. Von Beyme riet, die Sanktionen aufzuheben und Russlands Wirtschaft zu unterstützen. Der Westen sollte sich zurückhalten und nicht versuchen, die Ukraine in die EU zu ziehen. Von Beyme plädierte dafür, die eurasische Union (mit den Ex-Sowjetrepubliken Russland, Weißrussland, Kasachstan und Lirgistan) in einem Kooperationsverhältnis anzubinden. Er bezog sich auf Genscher, der eine lose Konföderation zwischen den Wirtschaftssystemen Eurasien und EU vorgeschlagen hatte.

Mit Blick auf die US-Atomwaffen, die noch in der Pfalz gelagert sind, äußerte er: „Wir verhalten uns immer noch wie ein besetztes Land. Deutschland sollte selbstbewusster gegenüber den USA auftreten. Über die Ängste der baltischen Staaten vor dem großen Nachbarn sagte von Beyme, sie sollten lernen, mit ihren russischen Minderheiten und mit Russland konstruktiv umzugehen.

Gefragt wurde er auch nach der Pressefreiheit und dem Verhältnis Staat-Kirche. Von Beyme sagte dazu: Aus Machtpragmatismus lasse Putin die neoslawische Allianz zwischen Staat und Kirche zu. Man solle Schröder einspannen, Putin davon zu überzeugen, im Innern toleranter zu sein. „Wir müssen den ‚lupenreinen Demokraten’ fördern“, so von Beyme.

Und natürlich ist auch die Syrienkrise Thema. „Wir trauen uns nicht mehr zu, zu intervenieren“, stellte von Beyme fest und sprach sich dafür aus, im Kampf gegen den islamistischen Terror vorübergehend mit dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad zusammen zu arbeiten. In Afrika habe der Westen schließlich mit jedem zweiten Diktator kooperiert.

Die Syrienkrise sah er auch als eine Chance für Putin, der jetzt vor der Uno-Vollversammlung seine Zusammenarbeit mit Assad verteidigte und eine internationale Koalition im Kampf gegen die Terrormiliz vorschlug. Selbst US-Außenminister Kerry habe inzwischen eingesehen, dass man Assad in eine politische Lösung einbeziehen müsse.

heb

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