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Sterbehilfe 2015

Steffen Hoffmann November 6, 2015

Herr über Leben und Tod oder Gott der Liebe?

Michael Frieß’ spannender Beitrag zur Sterbehilfe-Debatte bei Punktsieben

Vor der Entscheidung des Bundestages über die Neuregelung der Sterbehilfe nahm sich die Projektgruppe Punktsieben der Evangelischen Kirchengemeinde Walldorf erneut dieses brisanten Themas an. Moderator Ralf Tolle vom Team Punktsieben begrüßte den evangelischen Pfarrer und Buchautor Michael Frieß, der bereits vor drei Jahren bei dem Walldorfer Diskussionsforum zu Gast war. 

„Für die Kirche ist das ein schwieriges Thema“, weiß Frieß. Als „Katholische Phase“ der Auseinandersetzung bezeichnet er die frühere Position der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Gott allein sei der Herr des Lebens, deshalb dürfe der Mensch nicht in das Sterbegeschehen eingreifen. Dieses theologische Argument greife angesichts des medizinischen Fortschritts nicht mehr, sagt Fries. Aus seiner Erfahrung als Rettungsassistent berichtet er von einer Frau, die einen Herzschlag erlitten hat. Jahrtausende lang hätte gegolten, dass diese Frau nun tot sei: Gott ist Herr über Leben und Tod. Doch heute ist das anders: Das Herz der Frau wird reanimiert. Im Krankenhaus liegt sie bewusstlos, ein starker Hirnschaden wird festgestellt. Beginnt man jetzt mit einer künstlichen Ernährung, so dass der komatöse Zustand Jahre andauern kann? Die Entscheidung muss jetzt gefällt werden: von Menschen.

Die Entwicklung der vergangenen Jahre beschreibt Frieß als die „Evangelische Phase“. Als Ratsvorsitzender der EKD und als Theologe sei Nikolaus Schneider gegen Selbsttötung, aber weil er mit seiner Frau in Liebe verbunden sei, würde er sie bis in den Tod begleiten. Dies nennt Michael Frieß eine wirklich evangelische Entscheidung, ein Ringen des Menschen mit sich selbst, in der Partnerschaft und mit Gott.

Derzeit herrsche die „Panische Phase“. Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm schüre die Angst, mit der Möglichkeit über Leben und Tod zu entscheiden werde ein gesellschaftlicher Druck auf Alte und Kranke erzeugt, ihr Leben vorzeitig zu beenden.

Dem hält Frieß entgegen, dass sich in den Staaten, in denen assistierter Suizid zum Teil seit dreißig Jahren möglich ist, keineswegs eine alten- oder krankenfeindliche Stimmung entwickelt hätte. Und dass auch bei uns mit den bestehenden gesetzlichen Regelungen, die nur von Verboten bestimmter Ärztekammern eingeschränkt würden, das Leben des Einzelnen und seine Würde so stark geschützt seien wie niemals zuvor. 

 

Frieß berichtet auch von den vier im Bundestag zur Abstimmung gestellten Gesetzentwürfen. Die größten Aussichten habe eine Regelung, die besage, dass nur Angehörige beim Sterben helfen dürfen. Er selbst hält die Möglichkeit ärztlicher Suizidhilfe für eine besonders effektive Suizidprävention. „Achtzig bis neunzig Prozent der Menschen, die wegen Sterbehilfe anfragen oder sie anfordern und positiv beschieden werden, nehmen sie dann doch nicht in Anspruch.“

Als erster „Konfrontator“ stellt der Vorsitzende des Fördervereins Hospiz Agape Hans Klemm seine Ausführungen unter das Stichwort: „Der verbleibenden Zeit mehr Leben geben!“ Es gehe in der Hospizarbeit um die Würde des Menschen am Lebensende, um persönliche und teilnehmende Sorge und um weitgehende Schmerzmilderung. Sterbehilfe lehne der Hospizverein ab. Wer wolle sich anmaßen zu verbieten, dass ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt des Verfalls für sich selbstbestimmt entscheiden darf, fragt Frieß dagegen.

Christoph Dressler von Punktsieben stellt die Frage, warum die Kirche als Organisation sich überhaupt bemüßigt fühle, Menschen in einem so privaten und intimen Bereich Vorschriften zu machen. Die Kirche solle im Privaten niemandem, auch nicht ihren Gläubigen, Vorschriften machen, stimmt ihm Frieß bei. Aber als gesellschaftliche Größe müsse sie sich zu zentralen ethischen Fragen positionieren.

 

„Für religiöse Menschen geht es darum, wie sie sich Gott vorstellen, als absoluten Herrscher oder als Gott der Liebe“, äußert Ursula Bruckner von Punktsieben. „Sie treffen den Kern der Debatte“, erwidert Frieß. Es gebe kein richtig oder falsch, jeder sehe die Sache aus seinem Verständnis heraus anders. Gott schicke keine Krebserkrankung noch lasse er Metastasen verschwinden. „Gott ist die Kraft der Liebe, die auf mich einwirkt, wenn ich mit einem Menschen im Guten verbunden bin.“

Es ist schon spät und entsprechend kurz fällt die Diskussionsrunde aus. Ein Herr berichtet über den schwer kranken Bewohner eines Pflegeheims, der darunter leide, dass er auf Pflegekräfte angewiesen sei, die wenig Zeit hätten und überarbeitet seien. Es sei auch Aufgabe der Kirche, dafür zu sorgen, dass ein Zustand in einem Pflegeheim nicht würdelos sei, betont Frieß. Mit Blick auf den aussichtsreichen Gesetzentwurf, wonach nur nahe Angehörige Hilfe beim Sterben leisten dürfen, fragt Jemand: „Was tun Menschen, die keine Angehörigen haben?“

 (heb)



Noch mal kurz die Welt retten?!

Steffen Hoffmann October 11, 2015

Viel Lob für den Papst, aber auch offene Fragen

 Das evangelische Diskussionsforum punktsieben setzte sich mit „Öko-Enzyklika“ auseinander

Walldorf. Das Walldorfer Diskussionsforum Punktsieben der evangelischen Kirchengemeinde war ausnahmsweise ökumenisch angelegt. Der Grund: Es ging um den Papst und seine Enzyklika Laudato Si'.

Als brandaktuell bezeichnete Pfarrerin Marina von Ameln das Thema. Sie begrüßte als Referenten den Journalisten und Theologen Michael Schrom, der das Ressort Religion und Kirchen bei der Zeitschrift Forum Publik leitet.

Schrom begann mit den sehr unterschiedlichen Reaktionen, die Papst Franziskus hervorgerufen hat und stellte die Enzyklika dann in wesentlichen Aussagen vor. Der argentinische Papst habe einen starken Text verfasst, der die Erde als gemeinsames Haus und Leihgabe Gottes an alle Menschen beschreibt und dabei konsequent die Perspektive "des Südens" einnimmt. Dabei habe Franziskus viel Mut gegenüber einflussreichen Lobbyisten bewiesen.

Der Theologe sieht die Brisanz der Enzyklika in der Verknüpfung von Umweltschutz und Gerechtigkeit sowie in der Unterordnung des Privateigentums unter das Gemeinwohl. Die schlichte Aussage: „Gott hat die Welt für alle erschaffen“, bekommt in diesem Zusammenhang ein ganz neues Gewicht. Den Zugang zu sicherem Trinkwasser nenne der Papst als ein grundlegendes Menschenrecht und wende sich damit gegen Bestrebungen zur Privatisierung.

Aus der bisherigen Sicht der katholischen Kirche habe die Bekämpfung der Armut Priorität - Klimaschutz werde eher als Luxus angesehen. Dagegen habe der Papst vor der UN-Klimaschutzkonferenz im November in Paris den Klimaschutz ganz oben auf die Agenda gestellt.

„Die Verknüpfung mit der Gerechtigkeitsfrage bringt Klimaleugner auf die Barrikaden“, weiß Schrom. Entsprechend heftig seien die Reaktionen zu „Laudato Si’“ ausgefallen, vor allem in den USA, wo viele Konservative bestritten, dass die Erderwärmung durch menschliches Verhalten ausgelöst werde. „Franziskus wurde vorgehalten, er würde sich auf fragliche wissenschaftliche Ergebnisse stützen“, so Schrom. So habe der konservative Präsidentschaftskandidat Rick Santorum den Papst dazu aufgerufen, "die Wissenschaft den Wissenschaftlern zu überlassen".

Doch der Papst habe für seine „Öko-Enzyklika“ auch viel Lob bekommen, unter anderem von US-Präsident Barack Obama, UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, Globalisierungskritikern und den Grünen. „Die haben fünf Zitate auf ihrer Homepage veröffentlicht, die zeigen sollen, dass der Papst ein Grüner ist“, so Schrom. Dabei hätten die Grünen wiederholt die Erfahrung machen müssen, dass demokratische Wahlen mit Forderungen nach Verzicht nicht zu gewinnen sind.

Sein eigenes Urteil: „Die Enzyklika ist ein großer Wurf, der es verdient, weiterentwickelt zu werden. Wir können nicht einfach sagen: weiter so! Wir müssen uns Gedanken machen.“

Doch der Journalist und Theologe sieht auch noch Fragen offen: Ist es sinnvoll eine Rezession zu fordern? Und was sagt der Papst zur Überbevölkerung? „Konfrontatorin“ Silke Willinger von der Seelsorgeeinheit Walldorf-St.Leon-Rot wollte wissen: Was sagt die Deutsche Bischofskonferenz zu Franziskus’ Kapitalismus- und Fortschrittskritik?

Bei den großen Wissenschaftsmagazinen Science und Nature sei die Enzyklika Kommentarthema gewesen, doch kein Bischof habe sie aufgegriffen, berichtete Schrom. Johannes Franzkowski kritisierte, der Papst erwähne die Frage des Bevölkerungswachstums nur, um den Zusammenhang mit der Armut zu leugnen. Damit habe er eine einmalige Chance verpasst, die bisherige Haltung der katholischen Kirche zum Thema Familienplanung zu korrigieren. „Hier drückt er sich“, glaubte Schrom. Er hoffe, dass das in der Familiensynode nachgeholt werde. 

Mathias Pütz sorgte sich, dass der Papst mit seinen provokanten Thesen „übers Ziel hinausschießt“. Demgegenüber verteidigte Schrom die erfrischende und pointierte Sprache. Mit Zuspitzungen wie „diese Wirtschaft tötet“ finde er in der Mediengesellschaft Gehör und rege zu Diskussionen an.

In der weiteren Diskussion ging es um Klimaschutz innerhalb der Kirche, um Wirtschaftswachstum versus Konsumverzicht und um das Dilemma, dass die Industrienationen, die mit ihrem Lebensstil die Ressourcen der Erde zu Lasten der ärmeren Länder ausbeuteten, diesen nicht verwehren könnten, sich in die gleiche Richtung zu entwickeln.

heb

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