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TTIP

Steffen Hoffmann February 25, 2016

Einmalige Chance oder Gefahr für Demokratie? Walldorfer Diskussionsforum „Punktsieben“ widmete sich Freihandelsabkommen wie TTIP.

Walldorf. (seb)

Optimismus und Misstrauen standen sich beim „Streitgespräch“ über Freihandelsabkommen gegenüber. „Punktsieben“, das Diskussionsforum der evangelischen Kirchengemeinde Walldorf, hatte dazu eingeladen, der Saal des evangelischen Gemeindehauses war voll besetzt und später entspann sich mit dem Publikum eine teils hitzige Diskussion.

Mit „Insgesamt überwiegen die Chancen deutlich die Risiken“ trat der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Stephan Harbarth, Rechtsanwalt mit Schwerpunkt im Kapitalmarkt- und Finanzrecht, Prozessführung und Schiedsverfahren, „in den Ring“.

Demgegenüber argumentierte Wolfgang Kessler, Chefredakteur der christlichen Wochenzeitschrift „Publik Forum“, studierter Publizist, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler: Bei Abkommen wie TTIP „geht es ausschließlich um mehr Macht für die Wirtschaft über Politik und Bürger, um weniger Staat, um einen weltweit unregulierten Kapitalismus“.

Dabei fanden die beiden durchaus Gemeinsamkeiten: zum einen in ihrer Kritik an der Geheimhaltung. Kessler forderte Transparenz, auch Harbarth hielt – bei allem Verständnis, dass nicht alle Abgeordneten „mitverhandeln“ können – „die Einsichtmöglichkeiten in TTIP für unzumutbar“. Zum anderen waren sie sich einig, dass internationale Abkommen einen Ausgleich schaffen können zwischen den Einflussmöglichkeiten von global agierenden Konzernen und nationalen Gesetzgebern.

Kesslers Hauptkritikpunkt an TTIP, dessen „Blaupause“ CETA, dem bereits fertig verhandelten Freihandelsabkommen mit Kanada, und anderen Verträgen war nämlich, dass sie „Werkzeuge“ beinhalteten, „um die Demokratie auszuhebeln“. Hier verwies er insbesondere auf die privaten Schiedsgerichte. Beispiel Peru: Dort habe allein die Androhung von Klagen durch US-Konzerne verhindert, dass die Regierung neue Umweltauflagen zum Schutz ihrer Bürger erlasse.

Harbarth konterte mit einem Blick in die Geschichte: Kanzler Ludwig Erhard habe einst die Schiedsgerichte zum Schutz deutscher Firmen vor Korruption in anderen Ländern ins Leben gerufen. So hielten die USA – gestützt auch auf Gutachten der EU – die Justiz in Rumänien und Bulgarien für problematisch. Harbarth ergänzte, dass man die Schiedsgerichte durchaus etwa mit Bundesverfassungsrichtern besetzen könne, das sei ein offener Verhandlungspunkt. Die Gerichte entschieden nicht automatisch immer für Unternehmen. „Man sollte nicht den Eindruck erwecken, vorm Schiedsgericht kommt nur Quatsch raus, die Erfahrung rechtfertigt das nicht.“

Während Kessler einen nennenswerten Nutzen des Freihandelsabkommens bestritt, verwies Harbarth auf Prognosen zu mehr Wachstum, steigender Produktvielfalt, sinkenden Preisen und mehr Arbeitsplätzen. Doch das sei „nicht das Kernargument“, so Harbarth. Vielmehr drohe Europa weltweit an Bedeutung und Einfluss zu verlieren, etwa gegenüber Asien. Das bedeute, dass sich Europa nur jetzt die Möglichkeit biete, Standards in Verbraucher-, Arbeitnehmer- oder Umweltschutz für den Welthandel zu setzen. Wobei die Frage laute: „Sind unsere Standards die höchsten?“ Mit Blick auf Schadstoffgrenzwerte und Kontrollen von Abgasen meinte er, dass man das differenziert betrachten müsse und ein generelles Misstrauen gegenüber den USA unangebracht sei. Die Bundesregierung habe das Ziel, „das jeweils höhere Schutzniveau zu etablieren“ (dass sich die Politik das traut, bezweifelte Wolfgang Kessler). Sorgen wie der Privatisierung der Trinkwasserversorgung trat Harbarth entgegen: „Die kommunale Daseinsvorsorge soll im gleichen Umfang wie bisher bei den Kommunen bleiben.“

Gegen Harbarths Kernargument setzte der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler den eigentlichen Zweck jedes Freihandelsabkommens: „den Freihandel zu entfalten“, was notwendigerweise weniger Regularien bedeute. Am Beispiel von hormonbehandeltem Fleisch erklärte Kessler, er argwöhne, dass dann Waren aus den USA mit niedrigeren Standards in der EU billiger auf den Markt kommen, woraufhin hiesige Produzenten Druck auf die Politik zur Senkung der Standards ausüben würden.

Kessler betonte, dass er Abkommen wie TTIP als „Instrumente des vergangenen Jahrhunderts“ ansehe, mit denen man heutige Probleme gar nicht angehen könne. TTIP spreche weder die Schere zwischen Arm und Reich noch Klimaschutz oder nachhaltige Wirtschafts- und Produktionsmethoden an. 

Harbarth gab zu bedenken, dass TTIP noch nicht ausverhandelt sei. Während des Ratifizierungsprozesses, der nicht Monate, sondern sicher Jahre dauern werde, könne jeder Abgeordnete sich einarbeiten und dann frei entscheiden.

Gute Arbeit

Steffen Hoffmann January 16, 2016

Nicht für jedes Handy müssen Kinder schuften

Punktsieben diskutierte über bessere Arbeitsbedingungen weltweit

Es waren erschütternde Bilder, die der SPD-Entwicklungspolitiker und Mannheimer Bundestagsabgeordnete Stefan Rebmann beim Diskussionsforum Punktsieben der evangelischen Kirchengemeinde Walldorf zeigte: Verschüttete und verstümmelte Textilarbeiterinnen, Opfer des Einsturzes des Rana-Plaza-Komplexes am 24. April 2013 in Bangladesch, bei dem mehr als 1000 Menschen ums Leben kamen.

„Menschenwürdige Arbeit weltweit – Utopie oder erreichbares Ziel?“ lautete der Titel der Veranstaltung in Anlehnung an den Antrag, mit dem der Bundestag die Bundesregierung aufgefordert hat, sich für die Verhinderung von Sklaverei und die Einhaltung von sozialen, ökologischen und menschenrechtlichen Standards weltweit einzusetzen. Das sei zugleich der richtige Weg, um Fluchtursachen zu bekämpfen, so Rebmann.

Er appellierte an die Verantwortung der westlichen Nationen und ihrer Unternehmen, denen andere Länder als „Werkbänke“ und „Plantagen“ dienen. Bei seinen Besuchen in den Schwellen- und Entwicklungsländern hat er unvorstellbares Elend gesehen. Allein 168 Millionen Kinderarbeiter gebe es, davon 85 Millionen in gefährlicher Arbeit. „Den Blick des siebenjährigen Jungen, der mit dem Esel aus der Mine kommt, vergessen Sie nicht.“

Nach dem Vortrag war es Sache der beiden „Konfrontatoren“ von Punktsieben, die Diskussion zu eröffnen. „Meine Vermutung: Der Antrag interessiert niemanden“, sagte Christoph Dressler provokant und fragte nach der politischen Umsetzung und danach, welche Druckmittel es gebe. Ralf Tolle kritisierte das Dickicht an Siegeln und forderte Standards für die Arbeitsbedingungen in den Fabriken.

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen wolle er so setzen, dass Verbraucher sich nicht den Kopf über die Produktionsbedingungen zerbrechen müssten, betonte Rebmann und ergänzte: „Ich will, dass Siegel überflüssig werden.“

Als Erfolge nannte er das von Entwicklungsminister Gerd Müller initiierte Textilbündnis und den "Vision Zero Fund", mit dem G7-Staaten von Unternehmen und Organisationen Geld sammeln, um Unfall-Versicherungen aufzubauen oder Brandschutzinspektoren auszubilden. In einen Entschädigungsfonds für die Opfer des Fabrikeinsturzes in Bangladesch hätten schon viele Unternehmen, darunter der Textil-Discounter KIK eingezahlt, während sich andere, wie Benetton, weigerten.

Widerstand gegen das Textilbündnis komme von den Verbänden, die geltend machten, bei bis zu 150 Zulieferern könnten die Unternehmen nicht alle kontrollieren. Eingeknickt seien sie, als die mittelständischen Unternehmen aufgestanden seien und gesagt hätten: „Wir brauchen Standards.“

Die EU-Kommission habe den Antrag übernommen, da internationale Standards Druck aus der Diskussion um die Freihandelsabkommen TTIP und CETA nehmen könnten. Als weiteren Erfolg nannte Rebmann eine Neuerung im Beschaffungsrecht, wonach Kommunen soziale und ökologische Aspekte aufnehmen können.

„Wie soll ich mich als Bürger verhalten?“ Dies war eine der Fragen, die das Publikum beschäftigten. Rebmann empfahl, immer wieder kritisch nachzufragen: Wo kommt etwas her? Wie wurde es produziert? Wenn das Viele machten, würde das schon etwas bewirken. Auch wies er auf die neue App „Siegelklarheit“ der Bundesregierung hin und gab an, selbst ein nachhaltig produziertes Smartphone und ein entsprechendes Tablet von der hessischen Firma Shift bestellt zu haben.

Positivbeispiele für verantwortungsvolle Unternehmen sollten mehr herausgestellt werden, war dann auch eine Anregung aus dem Publikum. Dass es auch in Deutschland Missstände bis hin zu Sklaverei gibt, wurde in der Diskussion deutlich. Eine Teilnehmerin berichtete, dass beim Bau einer Berliner Shopping Mall die Arbeiter aus Rumänien und Bulgarien ohne Lohn nach Hause geschickt worden seien.

Gefragt wurde auch nach der Möglichkeit, die Globalisierung einzudämmen und Textilproduktion nach Deutschland zurückzuholen. „Was machen dann die Leute dort?“ fragte Rebmann zurück. Er sprach sich dafür aus, mit fairer Arbeit Entwicklungsländern eine Perspektive zu bieten. „Ich bin für soziale Globalisierung, Beispiel SAP.“

Auf die Anmerkung einer Dame, es sei doch sinnvoll, dass die ungebildeten Leute in den Entwicklungs- und Schwellenländern die einfachen Arbeiten verrichteten, entgegnete Rebmann: „Der Herrgott hat den Intellekt gleichmäßig über den Globus verteilt.“ Daher sei es wichtig, dass Kinder auch in Entwicklungsländern nicht in Minen oder auf Feldern schuften müssten, sondern die Chance auf Bildung hätten.

Mathias Pütz von Punktsieben dankte Rebmann augenzwinkernd, dass er zum Abschluss noch den lieben Gott ins Spiel gebracht habe und Jochen Koppert überreichte ihm Wein vom Wieslocher Bürgerwingert.

(heb)

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