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Gülen in Deutschland und weltweit

Steffen Hoffmann October 23, 2016

Gülen-Bewegung: „Es steht nicht drauf, was drin ist“

Dr. Friedmann Eißler von der „Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen“ referierte

Ein „ganz kontroverses Thema“ packte er zurückhaltend und betont sachlich an: Über die Gülen-Bewegung, auch „Hizmet“ genannt, referierte Dr. Friedmann Eißler (Foto: Pfeifer) von der „Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen“ in Berlin beim Diskussionforum Punktsieben. Von „Paradebeispiel für einen dialogorientierten, modernen Islam“ bis zu „Terrororganisation“ reichen die Charakterisierungen. Eißler selbst wollte umfassend informieren und eine differenzierte Sicht anbieten: „Sie sollen sich selber orientieren, ich will Ihnen da nichts vorkauen.“

Der Saal des evangelischen Gemeindehauses war voll besetzt und gerade von Bürgern türkischer Herkunft kam teilweise massive Kritik an Prediger Fethullah Gülen selbst und Hizmet: „Man muss Angst haben vor dieser Organisation“, sagte eine Frau. Mitglieder der Punktsieben-Gruppe bohrten nach, sodass Eißler schließlich einräumte: „Sektiererische Strukturen sind da, das autoritäre Gefüge, enge Bindung der Anhänger, Abschottung nach außen.“

„Ich bin anfangs sehr positiv auf die Gülen-Bewegung zugegangen“, erklärte der Referent. „Aber als ich näher hingeschaut habe, habe ich gemerkt: Da passt etwas nicht zusammen.“ Rundweg verteufeln könne und wolle er den „charismatischen Prediger Gülen“ und Hizmet aber nicht: Das Engagement für Integration und Bildung – zuvor hatte er unter anderem über die Schulen und Kindertagesstätten sowie über 300 Kultur- und Integrationszentren Hizmets in Deutschland gesprochen – sei positiv. Und „vom ehrenamtlichen Engagement in der Bewegung können wir uns eine Scheibe abschneiden“. Hizmet stehe nach eigener Aussage für einen Islam auf dem Boden des Rechtsstaats und in starkem Gegensatz zu Extremisten. Eißler lehnte auch entschieden ab, sich quasi vor den Karren des türkischen Präsidenten Erdogan spannen zu lassen: „Das ist ein ganz schmutziges Geschäft“, meinte Eißler mit Blick auf die Verfolgungen und Verhaftungen nach dem gescheiterten Putsch. Und auf die Demonstrationen und Kontroversen in Deutschland verweisend, betonte Eißler, dass die Gülen-Anhänger bei aller nötigen Kritik „den Schutz des Rechtsstaats genießen müssen“.

Die religiöse Motivation aber, „die allen Aktivitäten zugrundeliegt“, dürfe man nicht verschweigen. Darum drehe sich seine Kritik: „Es steht nicht drauf, was drin ist.“ So wollte Eißler den Begriff der „Unterwanderung“ – Einflussnahme Hizmets über Stiftungen, Vereine und Medien, unterstützt durch zahlreiche Firmen – durchaus stehen lassen. Ziel sei, in den Gülen-Schulen „einen Machtfaktor heranzuziehen“, eine Elite, die die Gesellschaft im Sinne islamischer Werte prägen solle.

Im Sinne eines modernen Islam? Da hatte Friedmann Eißler starke Zweifel. Zwar sei Hizmet nicht radikal, aber doch konservativ und eher „auf Distanz zur Demokratie“. Gülen selbst sei von zen-tralen Aussagen des Koran oder der islamischen Überlieferung (Hadith), die zu unseren Werten nicht passten, nie abgerückt, so Eißler. Als Beispiel nannte er die untergeordnete Stellung der Frau, die sogar geschlagen werden dürfe. Gülen sage zwar, dass man Frauen ihre Rechte zugestehen müsse, „aber welche Rechte, sagt er eben nicht“. In der Tradition des islamischen Gelehrten Said Nursî meine Gülen auch, die Wissenschaft müsse den Glauben stärken, ihre Erkenntnisse seien nur wahr, wenn sie mit Koran und Hadith übereinstimmten.

Was meint Hizmet also mit „Dialog“? Laut Eißler jedenfalls nicht „Austausch“ oder „voneinander lernen“, er argwöhnt, dass Gülen „seine Vision einer muslimischen Gesellschaft verwirklichen“ wolle. In jedem Fall gelte: „Wir dürfen nie nachlassen in unserem Fragen.“

Walldorf. (seb)

Protestantismus heute und morgen

Steffen Hoffmann April 13, 2016

„Sich über Grenzen hinweg für gemeinsame Ziele einsetzen“

Präsidentin des Kirchentags 2017 sprach bei Punktsieben über mögliche Impulse des Reformationsjahrs

Walldorf. Welche Rolle können protestantische Ideen und reformatorisches Gedankengut künftig noch spielen? Vor dem Hintergrund, dass immer mehr Christen der Kirche den Rücken kehren, sprach die Präsidentin des Deutschen Evangelischen Kirchentags 2017 Prof. Christina Aus der Au vor über hundert interessierten Zuhörern bei Punktsieben, dem Diskussionsforum der Evangelischen Kirchengemeinde Walldorf.

Pfarrerin Marina von Ameln begrüßte die Theologin, die bereits im Februar 2014 Gast bei Punktsieben war. Dass ausgerechnet eine Schweizerin als Präsidentin ausgewählt wurde, sieht Aus der Au selbst als Reaktion auf die Tendenz, aus dem Jubiläumsjahr „500 Jahre Reformation“ ein gigantisches Lutherfestival zu machen. Dabei sei, „psst, nicht weitersagen“, der Thesenanschlag wohl gar nicht historisch. Es habe im Protestantismus auch andere Stimmen gegeben, betont sie und nennt unter anderem Hus, Calvin und Zwingli.

Für Aus der Au, die eine siebenjährige Tochter hat, heißen die drei K nicht „Kinder, Küche, Kirche“, sondern „Kirche, Kommunikation und Konvivenz“. Für den Begriff „Kirche“ stehe Johannes Calvin und sein Ausspruch: „Wer also Gott zum Vater hat, der muss auch die Kirche zur Mutter haben.“ Damit wendet sie sich gegen die verbreitete Haltung, Christ könne man auch ohne Kirche sein. Die Kirche sieht sie als Schwerkraft, die durch Auslegung der Bibel dafür sorge, dass die Gläubigen nicht auseinander driften. Dabei sollte sich jeder Christ als Theologe betätigen und über das Wort Gottes diskutieren: Wie ist das mit der Homosexualität? Wie gehen wir mit der Umwelt um? 

Zum zweiten Begriff „Kommunikation“ sagt sie: „Müssten wir nicht in der Nachfolge Luthers hier noch viel mutiger, fröhlicher und kreativer sein, wenn wir das Evangelium so verkünden wollen, dass es hier und jetzt gehört und verstanden wird?“ und nennt als Beispiele die „Zürcher Bibel“ und die Bibel in „gerechter Sprache“, die von Frauen übersetzt wird. 

Zu den drei Ksteuere Zwingli die „Konvivenz“ bei, die Aus der Au als Verantwortung der Kirche in der Welt und für die Welt beschreibt. Als Bergler komme Zwingli von der politischen Gemeinde, der Dorfgemeinschaft, her und fordere, die Messlatte für den Staat müsse das Reich Gottes sein. „Lasst uns die Gesellschaft anstecken, damit Vertrauen wieder möglich wird. Das hat auch mit Europa zu tun“, sagt die Schweizerin und fordert Offenheit im Verhältnis zu Konfessionslosen, Muslimen, Hindus und Buddhisten. Sich gegenseitig helfen, voneinander lernen und miteinander feiern, das könne man auch ohne Abendmahl. 

Heute schaffe es keine Organisation – nicht einmal der ADAC – die überwältigende Mehrheit hinter sich zu scharen, stellt „Konfrontator“ Johannes Franzkowski vom Punktsieben-Team mit besorgtem Blick auf die Statistik fest. „Größe ist immer etwas, wo wir Schweizer misstrauisch werden“, entgegnet die Theologin. Sie sehe die Zukunft eher darin, Gemeinsamkeiten über die Grenzen der Kirche hinaus zu suchen und mit Anderen, dem WWF, politischen Parteien oder auch dem ADAC etwas zu bewegen. 

Die 18-jährige Lea Moos, die Theologie studieren will, merkt an, dass ihre Freunde mit der traditionellen Form des Sonntagsgottesdienstes wenig anfangen können. Es brauche kein Kirchengebäude, keinen Pfarrer, keine Liturgie und keine Orgel um Theologie zu betreiben, sagt Aus der Au und nennt die anglikanische Bewegung Fresh expressions, deren Mitglieder sich auch mit schwarz gewandeten Gothics in den Ruinen von Coventry treffen und über Gott und den Tod sprechen. 

„Kirche als Mutter? Welche von den Vielen?“, fragt Clemens Gramlich, Vorsitzender des katholischen Pfarrgemeinderates. Man schlage sich nicht mehr die Köpfe ein und es fahre auch keiner mehr Gülle an Fronleichnam. Als Zeichen der Einheit empfiehlt er Papst Franziskus. Die Reformierten in der Schweiz würden schon bei einem Bischof die Krise kriegen, entgegnet Aus der Au. Dort sei die Kirchengemeinde die Einheit, wo alles entschieden wird. Man sollte mit der Ökumene unten anfangen, nicht das Abendmahl feiern, sondern zusammen essen, trinken, beten und singen. 

Pfarrerin Wibke Klomp bringt das Thema Willkommenskultur ins Spiel, das Aus der Au als „schönes Beispiel“ für eine Bewegung bezeichnet, die über die Grenzen der Konfession hinausgeht. André Ekama, Schriftsteller aus Kamerun, berichtet, dass die Kirchen in Afrika immer voller würden. Migrationskirchen, die von evangelikal geprägter Theologie geprägt seien, biete man Kurse über kritische Auslegung an, so Aus der Au. Alf Osman von Punktsieben nennt Schwierigkeiten beim Dialog zwischen Juden und Christen. Der Antijudaismus sei ein Geburtsfehler der Reformation. Wilhelm Krämer aus Sandhausen vermisst weitere kritische Aspekte. Die haarsträubenden Texte Luthers über die Juden oder sein Umgang mit den Bauern würden thematisiert und über die christliche Opfertheologie stritten die Theologen, versichert die Theologin. Als eine Aufgabe sieht sie den Zustand Europas. Rund 60 Leute aus verschiedenen europäischen Ländern seien dabei, einen europäischen Kirchentag zu planen.

 

Text und Fotos: Sabine Hebbelmann

 

 

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