Gott neu denken?!

Bei Punktsieben wurde am Spargelmarktwochenende leidenschaftlich über unterschiedliche Gottesvorstellungen diskutiert.

IMG_8199.jpg

Gut 90 interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer begrüßte Paula Glogowski im Namen des Teams von Punktsieben zur 50. Veranstaltung der Erwachsenenbildungsinitiative unserer Kirchengemeinde. Der Journalist und katholische Theologe Michael Schrom leitete seinen Vortrag mit den skeptischen Fragen seines eigenen Sohnes ein, der von seinem Vater u.a. wissen wollte, warum Gott heutzutage keine Wunder mehr wirkt, und daran zweifelt, dass Gott über jeden einzelnen Menschen Bescheid wissen soll. Die Zweifel seines Sohnes könne er selbst gut nachvollziehen.

Schrom selbst hält den Übergang vom kindlichen zum erwachsenen Glauben für eine kritische Phase. Denn auf die Selbsterklärung der Tradition sei kein Verlass mehr. Evangelische und katholische Kinder machten zusammen nicht mal die Hälfte der Schulklasse seines neunjährigen Sohnes aus. Schrom drang daher auf eine zeitgemäße und anschlussfähige Rede von Gott. Dazu brachte er den sogenannten Panentheismus ins Spiel. Angesiedelt zwischen Pantheismus (Gott ist eins mit der Welt) und Theismus (Gott existiert außerhalb der Welt) besagt diese Gottesvorstellung, dass die Welt ein Teil von Gott ist. Die Trennung von Gott und Welt wird so aufgeweicht, wie es nach Schroms Verständnis auch der Botschaft des Neuen Testaments entspricht, da Jesus die Distanz zwischen Gott und Welt überwunden hat.

Wie notwendig eine Veränderung der Gottesvorstellung ist, machte er an verschiedenen Denkbeispielen anschaulich: von der Frage, wie es denn um das Heil der Menschen bestellt sei, die – weil in einem anderen Kulturkreis geboren – nie etwas vom jüdisch-christlichen Gott gehört haben und sich daher auch nicht für oder gegen den Glauben entscheiden konnten, bis hin zum Verhältnis von Glaube und Naturwissenschaften. Michael Schrom forderte deshalb eine neue geistige Kategorie, die den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsen ist, die niemanden ausschließt, die nicht unterscheidet zwischen Gläubigen und Ungläubigen, in der die Gotteserfahrung nicht an einen bestimmten Kult und auch nicht an die Mitgliedschaft in einer bestimmten Religion gebunden ist, die achtsam gegenüber der Natur und unabhängig vom Expertenwissen und der Deutungsmacht einer Priesterkaste ist.

Die Gegenrede zu diesem Vortrag hielt Prof. Dr. Manfred Oeming, Ordinarius für Alttestamentliche Theologie an der Universität Heidelberg. Für ihn sind biblische Gottesbilder nicht kompliziert, sondern erfrischend einfach: die Mutter, die tröstet, der gutmeinende Vater, der gute Hirte. Das Alte Testament weise viele Wege zu Gott, selbst in einer sehr erotischen Variante im Hohelied Salomos. Doch etwas Unbegreifliches bleibe bei der Frage nach Gott einfach bestehen und damit auch die Trennung von Welt und Gott.

In der anschließenden Diskussion ging es teilweise sehr emotional zu, vom klassischen Einwand der Theodizee – wenn Gott allmächtig und gut ist, warum lässt er Leid zu – bis hin zum Verhältnis von Glaube zu Natur und den Inhalten sonntäglicher Gottesdienste. Michael Schrom forderte insbesondere mehr Sorgfalt und Respekt in der religiösen Sprache. Von den meisten religiösen Ritualen und Liedtexten im christlichen Gottesdienst fühlten sich viele nicht mitgenommen. Pfarrerin Wibke Klomp gestand ein, dass moderne Theologinnen und Theologen ihre Probleme mit dem Bild vom allmächtigen Gott haben. Andererseits sei gerade in der persönlichen Seelsorge ein Gott, der ein persönliches Gegenüber ist, für die Menschen sehr wichtig. Sie wünschte sich mehr Dialog mit der Theologie, um den unterschiedlichen Bedürfnissen der Menschen in den Gemeinden besser gerecht zu werden. Das Schlusswort sprach Klaus Bruckner von Punktsieben: „Wir sind gut beraten, wenn wir den Gedanken hochhalten, dass Gott Liebe ist.“ (nach Sabine Hebbelmann, Rhein-Neckar-Zeitung)