Menschen - Medien - Meganetze

Wie Medien das Denken verändern, „liegt an uns“

Dr. Matthias Kaiser sprach über „Menschen, Medien, Meganetze" 

Eigene Erfahrungen sind unentbehrlich, Informationen sammeln und eine Meinung bilden, sollte man niemand anderem überlassen. So argumentierte Dr. Matthias Kaiser in seinem Vortrag „Menschen, Medien, Meganetze – Wie moderne Informationsmedien unser Denken verändern“. Zum einen plädierte er dafür, dass Kinder erst mit den eigenen fünf Sinnen, im realen Leben, Erfahrungen sammeln, ehe sie dann in die abstrakte „virtuelle Welt“ gelassen werden; zum andern aber auch dafür, dass jeder sich selbst kundig machen sollte über Computer und Internet, um zu einer angemessenen Einschätzung zu kommen.
Matthias Kaiser, Diplompädagoge, renommierter Forscher auf den Gebieten der künstlichen Intelligenz und der Kognitionswissenschaft und Chef-Entwickler bei SAP, referierte bei „Punktsieben“, dem Diskussionsforum der evangelischen Kirchengemeinde Walldorf. Mit launigen Bemerkungen und anschaulichen Beispielen lockerte er seinen Vortrag auf. So sagte er augenzwinkernd: „Ich habe mehr Fragen als Antworten, aber das wollte ich vorher nicht sagen.“
Anschaulich verglich er die Intelligenz des Menschen mit der eines Computers, der Rechnen, Routen planen und Rechtschreibung bereits jetzt besser beherrsche. Doch selbstverständlich sei Maschinen vieles (derzeit zumindest) nicht möglich, was Menschen dank „unbewusster Expertise“ leicht falle. Computer könnten Bedeutung, Wert oder Sinn von Personen, Dingen und Vorgängen nicht ermessen. Denn die menschlichen Gedanken werden Kaiser zufolge maßgeblich von Emotionen beeinflusst. Eine weitere Stärke der Menschen: „Wir haben Ideen, stellen neue, sinnreiche Kombinationen von Vorhandenem her.“
„Ich sehe das Internet weiterhin als große Chance“, erklärte Matthias Kaiser. Befürchtungen, dass Gedächtnis oder andere kognitive Fähigkeiten durch intensives Nutzen von Computer und Internet leiden könnten, hielt er seine eigene, über 25-jährige Erfahrung entgegen. „Es liegt an uns“: Schließlich könne man mit dem Computer den Verstand auch anregen und trainieren. Doch habe er durchaus zum Schrumpfen der Aufmerksamkeitsspanne geführt, so Kaiser.  
Andererseits sei es heute, da Informationen auf Knopfdruck verfügbar sind, vielleicht angemessen, tatsächlich nur „Informationsschnipsel“ aufzunehmen, und zwar dann, wenn man sie braucht – quasi „Just in time“. Natürlich benötige man hierzu die nötige Erfahrung und vielleicht auch neue Hilfsmittel, um die Datenflut zu überblicken. Die Gefahr bestehe, dass man zwar jede Menge Fakten ansammle, sie aber kaum verstehe.
Zur Medienkompetenz gehört dem Experten zufolge neben der Fähigkeit, das gesammelte Wissen zu ordnen, und der Einsicht, was eine maßvolle Nutzung der Medien ist, auch ein gesundes Misstrauen. „Wachsamkeit ist geboten“: bezüglich der Quellen der Informationen ebenso wie der Empfänger der Daten, die man von sich preisgibt.
„Wir können nicht zurück“, sagte Kaiser in der regen Diskussion mit dem Publikum, die sich an seinen Vortrag anschloss. Er riet davon ab, sich „herauszuhalten“ und auf Abstand zu den „Neuen Medien“ zu gehen. Wenn die Gesellschaft entscheide, dass der Nutzen den möglichen Schaden überwiege, tue man sich damit keinen Gefallen: Man erlebe tief greifende Entwicklungen nicht mit und verliere die Möglichkeit, Einfluss darauf zu nehmen, so Kaiser. „Das Internet wird nicht wieder verschwinden, dann wollen wir es lieber mitgestalten.“
Christoph Dressler von Punktsieben moderierte den Abend und eingangs hatten Jochen Koppert, Sabine Reich und Steffen Hoffmann ins Thema eingeführt. (Quelle: RNZ / seb)