Das Thema „sexuelle Vielfalt“ treibt zurzeit zahlreiche Leute auf die Straße und auch im Saal des Walldorfer Gemeindehauses wurde Kritik daran laut, Schulkinder mit dem Thema zu konfrontieren. Bei „Punktsieben“, dem Diskussionsforum der evangelischen Kirchengemeinde, sprach Landesbischof Prof. Jochen Cornelius-Bundschuh über diese „Herausforderung für Kirche und Gesellschaft“. Einigen Besuchern gingen seine Aussagen zu weit, andere kritisierten ihn hingegen als zu wenig progressiv, was wiederum auf teils heftige Gegenwehr anderer Zuhörer stieß.
In seiner Begrüßung hatte Rainer Dörlich von Punktsieben auf die „Demonstrationen und Gegendemos“ zu diesem auch fast 50 Jahre nach der sexuellen Revolution immer noch „brennenden Thema“ geblickt. Cornelius-Bundschuh selbst räumte ein, dass es Handlungsbedarf gebe angesichts der „langen Geschichte der Diskriminierung und der Schuld“ der Kirchen.
„Das halte ich für eine der wichtigsten Erkenntnisse der Reformation: dass Glaube nur ohne Gewalt in freiem Austausch wachsen kann.“ Fest dazu gehöre, „die heutige Lebenswelt gründlich kennenzulernen“: „Man muss die Bibel und die Zeitung lesen.“ Unter anderem stützte er sich auf Aussagen Jesu und die Paulusbriefe, den historischen Kontext betonend. „Schon in der Bibel begegnet uns eine Vielfalt an Lebensformen“, so Cornelius-Bundschuh: „Im Blick auf die Sexualität wird jedes gewaltförmige Verhalten abgelehnt.“ Ob homo-, hetero-, trans-, inter- oder asexuell, das sei ebenso wenig entscheidend wie nationale oder ethnische Zugehörigkeit. Was zählt: „die Gemeinschaft mit Christus“.
„Für die evangelische Kirche heißt das: Sie nimmt Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit, auch ihrer unterschiedlichen sexuellen Disposition wahr – und ernst. Sie sucht Wege, Menschen in ihrer Beziehung und Verantwortung füreinander zu stärken.“ Luther spreche von der „gebundenen Freiheit“, zwar seien Christen frei in allen Dingen, aber zugleich „in intensiver Weise füreinander verantwortlich“. So hob der Bischof vier Kriterien hervor, die für „gelungene Sexualität“ gelten müssten: Freiwilligkeit und Konsens, Verbindlichkeit der gegenseitigen Verpflichtung, personale Bindung und Unverfügbarkeit der Sexualität. Als Gefahr für Jugendliche sehe er beispielsweise die „marktförmige Sexualität“, aus Fernsehen oder Internet bereits jungen Kindern hinlänglich bekannte „Ideale der Attraktivität oder der sexuellen Leistungsfähigkeit“: „Wie viel Druck da entsteht!“ Dieser Entwicklung müsse die Kirche sich entgegenstellen.
Christina Eder, Antje Valouch und Christoph Dressler von Punktsieben stellten vertiefende Fragen, Teamkollege Holger Lehmann moderierte die anschließende Diskussion. Bischof Cornelius-Bundschuh erklärte hier, er sehe die evangelische Kirche „auf dem Weg zu einer deutlichen, positiven Position, die Menschen darin bestärkt, ihre Sexualität in einer verantwortungsvollen Beziehung miteinander zu leben“.
Im Vergleich zu anderen Landeskirchen sei man etwa in der Gleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerschaften nicht so weit – noch nicht, zeigte er sich zuversichtlich. Jedoch verstehe er sich generell nicht als Befehlshaber: „Ein Bischof ordnet nichts an, was die Synode nicht mitträgt.“
Im in die Kritik geratenen Bildungsplan sehe er „die Chance, zu zeigen, wie Freiheit und Verantwortung zusammenhängen“. Toleranz stehe dort im Fokus, es werde sexuelle, ethnische, kulturelle und religiöse Vielfalt thematisiert. Das sah Cornelius-Bundschuh nicht kritisch, und auch nicht als Abschwächung der ursprünglichen Position in Folge des Sturms der Entrüstung konservativer Kreise. Das Fazit des Bischofs: „Die Kirche diskriminiert nicht, sagt nicht, welche Form der Sexualität gut oder schlecht ist: Sie ist da, hört zu, macht Mut, stärkt.“
(Text von Sebastian Lerche, der RNZ entnommen)